Nico Polichronidis geht in Oberstdorf als Ein-Mann-Team an den Start
Der eine singt, der andere springt – zwei Griechen sorgen bei der Team-Tour in Oberstdorf für Aufmerksamkeit. Doch während Lucas Cordalis als Sänger und Performance-DJ für die Showbühne zuständig ist, spielt für Nico Polichronidis die Musik auf der Heini-Klopfer-Schanze. Er ist Griechenlands einziger Skispringer im Weltcup-Geschehen und will die Team-Tour als Schnupperkurs und Sprungbrett für die Weltmeisterschaft in Val di Fiemme nutzen. Dort darf er starten, weil er beim Continentalcup in Titisee-Neustadt vor zwei Wochen einen B-Weltcup-Punkt geholt hat.
An der Skiflugschanze in Oberstdorf kennt sich Nico bestens aus. Schließlich lebt der 23-Jährige seit seiner Schulzeit unterm Nebelhorn. Dem Skispringen gehört seit frühester Kindheit seine Leidenschaft. Als kleiner Bub hat er sich die Schanzen dieser Welt im Fernsehen angeschaut und beschlossen: „Da will ich auch hinunter“. Damals war Nico, der sowohl die griechische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, noch in Kempten daheim. Für den TSV Buchenberg hüpfte er als Achtjähriger zunächst dort von den Schanzen. Mit zwölf Jahren wechselte er dann ans Skiinternat in Oberstdorf und startete in der Folgezeit für den dortigen Skiclub. Zwei Jahre lang war er Mitglied des C-Kaders im Deutschen Skiverband, wurde dann in den B2-Kader zurückgestuft und beendete seine Skisprungkarriere, als es um den Schulabschluss ging. Er habe damals zwar noch trainiert, die Motivation sei jedoch nicht mehr sehr groß gewesen, gibt er heute zu. „Die FOS gut zu beenden, war mir damals wichtiger als der Sport“ erzählt Polichronidis.
So ganz losgelassen hat ihn das Skispringen jedoch nie. Deshalb überlegte er nicht zweimal, als der griechische Skiverband ihn gewinnen wollte für den Aufbau des Sprungsports in dem südeuropäischen Land. Der Wechsel zog sich dann aber doch länger hin als erwartet. „Die Griechen hatten ja in de letzten Zeit ja auch wahrlich ernstere Sorgen als sich um die Entwicklung des Skispringens zu kümmern“, so Nico verständnisvoll. Inzwischen ist er aber fix im Skiclub Drama beheimatet. Drama sei eine 75 000 Einwohner zählende Stadt ganz in der Nähe seines Geburtsortes Kavala und zähle zu den aufstrebenden Skigebieten im Norden Griechenlands Ein Jahr habe er durch die Verzögerung bei den Formalitäten an keinem Wettbewerb teilnehmen können und in der Zwischenzeit in seiner Wahlheimat Oberstdorf bei Ralf Schmid und Christian Raimund trainiert.
“Wo ich diesen Winter stehe, weiß ich allerdings überhaupt noch nicht“, meint er vorsichtig. Obwohl sich der griechische Skiverband inzwischen um das Organisatorische kümmere, habe er neben dem sportlichen Einsatz viel um die Ohren. Da gelte es, die Anreisen eigenständig zu organisieren, Sponsoren zu finden und Freunde zu mobilisieren, die seine Sprünge bei den Wettkämpfen filmen. Fehler muss er selbst erkennen und seine Sprünge anhand der Video-Aufzeichnungen verbessern. Auch einen Trainer, der ihn mit Nationalfähnchen nach der Freigabe an der Schanze bei günstigen Bedingungen hinunterwinkt, sucht man bei Polichronidis vergebens.
Am Wochenende geht er in Oberstdorf also wieder als Ein-Mann-Team an den Start. Weil ihm die Kollegen fehlen, kann er wie schon in Willingen nur im Einzelwettbewerb dabei sein. Die tolle Atmosphäre an der Mühlenkopf-Schanze hat er genossen, konnte sich jedoch mit seinen 104 Metern nicht für den Wettkampf, der schließlich wegen böiger Winde abgesagt wurde, qualifizieren. Klingenthal hat er ausgelassener, um sich konzentrieren auf das Fliegen in Oberstdorf. Die Flugschanze kennt er bereits, durfte er doch vor drei Jahren als Vorspringer vom Balken. Es sind Erinnerungen, die den Student für Sportmanagement optimistisch stimmen. „Ich will ja nicht nur teilnehmen, sondern auch was reißen“, meint er zuversichtlich. Und wer weiß, vielleicht öffnet sich an der Heini-Klopfer-Schanze für den griechischen Skisprung eine große Tür Richtung Olympischer Spiele in Sotschi.